Wagen wir einen Rückblick in die Zeit, bevor es Navigationssysteme gab. Ja - diese Zeit gab es wirklich und die älteren werden sich gut erinnern.
Ich weiß noch, wie ich mit meinem BMW damals durch die Münchener Innenstadt gefahren bin, auf dem Beifahrersitz einen Faltplan. Ich bin fast wahnsinnig geworden, da die entscheidenden Straßen immer Einbahnstraßen waren und ich das Ziel systematisch eingekreist habe. Dabei bin ich immer wieder in der Türkenstraße (ja die hieß wirklich so und sie gibt es auch immer noch) gelandet, ohne dass ich dort hin wollte. Das ganze war auch gar nicht so ohne - der Verkehr war damals schon exorbitant und ich war mehr oder weniger nur zweidimensional dabei - ein Auge immer auf dem Plan auf dem Beifahrersitz. Was für eine Zeit - immer einen Faltplan der Stadt im Auto und einen großen Autoatlas für Deutschland oder sogar für Europa dabei. Gibt es die eigentlich noch? Wahrscheinlich nicht mehr.
Es gibt sie doch noch:
Strassenatlas und Falkplan München :) (Bilder von der Amazon-Webseite)
Heute fährt man ja quasi nur noch mit dem Navi - selbst wenn ich durch die Stadt laufe, nehme ich nicht selten mein Smartphone zu Hand um mich zu Fuß zum Ziel navigieren zu lassen oder wenigstens um zu schauen, ob ich auf dem richtigen Weg bin.
Selbst auf längeren Strecken, die ich in und auswendig kann, schalte ich das Navi an um eventuelle Staus oder Sperrungen zu vermeiden und um die Ankunftszeit im Blick zu haben.
Immer auf dem direktesten Weg zum Ziel, ohne nachzudenken…
Sicherlich effizient, aber ist das wirklich gut? Oder war es nicht vielleicht besser, sich vor der Fahrt zu seinem Ziel mit der Strecke auf dem Plan zu beschäftigen und in der Stadt zumindest grob die entscheidenden Ecken und Straßen zu kennen? War es nicht zuträglich, sich in spontanen Situationen mit einer Straßensperre, einer Baustelle oder einem Stau zu beschäftigen und eine eigene - vielleicht bessere Lösung zu finden? Und wenn man merkte, man schafft es nicht rechtzeitig zum Ziel - schnell mal angehalten, in die Telefonzelle und aus dem Gedächtnis die Nummer gewählt, um Bescheid zu geben. Oder vielleicht das gute alte Telefonbuch zur Hand genommen….
Natürlich ist der heutige Weg zumindest kurzfristig effizienter und ich möchte die ganzen technischen Hilfsmittel nicht mehr missen, aber macht es alles nicht auch irgendwie langweilig planbar? Ich brauche gar keine Lösung mehr zu suchen oder mir groß irgend etwas zu merken - ist ja sowieso alles da. Ist es nicht vielleicht sogar menschenunwürdig, wenn mir die Maschine nur noch sagt, was ich tun soll und ich mach es dann einfach? Vielleicht hätte es ja doch einen besseren Weg gegeben, als Google mit ausgespuckt hat - oder zumindest einen schöneren?
Andreas Zaron hat mal so schön gesunden: “Ich glaub ich brauch ein Navi für mein Leben”
Wird unser Handeln nicht mehr und mehr von maschinellen Einflüssen, von Algorithmen bestimmt? Würde ich mich heute noch an die damalige Fahrt durch München und die Türkenstraße erinnern? Wahrscheinlich nicht.
Was uns durch die ganze Planbar- und Verfügbarkeit völlig abhanden kommt, ist die Improvisation, das Chaos, der Zufall….die maßgeblichen Dinge, die oft im Leben die entscheidenden Weichen stellen. Auch das Scheitern wird immer weiter reduziert - alles klar strukturiert und alle Eventualitäten vorausgeplant. Zielsicher in die Belanglosigkeit - effizient, aber langweilig.
Ich nehme gerne Umwege und sammele Erfahrungen über das Gebiet auf dem ich mich gerade bewege - ich studiere sozusagen mein Umfeld. Kostet viel Zeit, macht aber richtig Spaß und erweitert den Horizont. Es gibt so viele interessante Nebenstraßen, die es sich lohnt einmal genauer anzuschauen und die in der ursprünglichen Routenplanung gar nicht vorkommen. Das Ziel schon im Blick, aber doch immer mal wieder abbiegen.
Bleibt gesund und wach!
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