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EM - Bist du noch Assi oder schon Dissi?

  • Misar
  • 11. Mai
  • 3 Min. Lesezeit


Heute möchte ich mich dem Buch „Der Vagus Schlüssel zur Traumaheilung“ von Norbert „Gopal“ Klein widmen. Ich hatte es vor wenigen Wochen gelesen und auch schon kurz erwähnt, allerdings ist es aus meiner Sicht einer ausführlicheren Erwähnung wert.


Nachdem sich die letzte Generation maßgeblich der Aufarbeitung der kollektiven Geschichte gewidmet hat, arbeitet meine Generation maßgeblich die eigene, individuelle Geschichte auf - jedenfalls die Meisten. Auch wenn Sigmund Freud, Carl Gustav Jung und einige andere Pioniere der Psychologie bereits vor Generationen gelebt haben, ist die Arbeit an der eigenen Psyche doch erst vor vielleicht zwei Jahrzehnten salonfähig geworden.


Das innere Kind


dürfte inzwischen ein geläufiger Begriff sein und aktuell ist das Wort Trauma in aller Munde. Jetzt klang Trauma für mich immer nach einem großen Ereignis, was es aber gar nicht sein muss. Es können schon die banalsten Kleinigkeiten traumatisierend wirken, wie zum Beispiel ein ständiges „benimm dich bitte“ oder „das macht man aber nicht“ in Dauerschleife, erfahren durch die eigenen Eltern. Selbst solche kleinen Dinge können uns im jungen Alter derart prägen, dass sie große Auswirkungen auf unser Gesamtlebenskunstwerk haben. Von den großen Traumata wie zum Beispiel erfahrene Gewalt oder lebensbedrohende Einsamkeit im Kindesalter ganz zu schweigen.

Im Grunde gehen all diese Wunden auf ein Grundgefühl zurück: Wir fühlen uns nicht gut genug, nicht sicher in unserem Umfeld, nicht geliebt - so wie wir sind. Für ein Kind ist diese Erfahrung schwer traumatisch, da es hilflos in dieser Welt steht und ohne Liebe definitiv nicht überlebensfähig ist. Wenn diese Liebe bereits früh an Bedingungen geknüpft oder nur wenig vorhanden ist, wirkt dies traumatisch. Für einen Erwachsenen ist dieses Erleben (zum Beispiel Ablehnung durch andere oder die Trennung von einem geliebten Menschen) alles andere als lebensbedrohend, es fühlt sich aber aufgrund gespeicherter Emotionen immer noch so an und lässt uns dann oft unangemessen reagieren. Man geht in den Kampf oder ist auf der Flucht ohne genau zu wissen, warum.


Die Scheinwelt


„Wir alle spielen Theater“, wie es Erving Goffman in seinem gleichnamigen Buch schon 2003 treffend beschrieben hat. Je nachdem, in welchem Umfeld wir uns gerade befinden, spielen wir oft mehrere Rollen simultan: In der Beziehung zum Partner, als Vater oder Mutter, bei einem Freund, einer Freundin oder in Gruppen wie zum Beispiel auf der Arbeit oder im Verein. Fast niemals sind wir zu einhundert Prozent wir selbst und das ist auf die Dauer ganz schön anstrengend und macht krank. Krank im Körper, krank in der Gesellschaft. Befeuert von der heutigen Schnelligkeit, dreht sich das Karussell des zur Schau stellens inzwischen mit Tornadogeschwindigkeit. Was hat das Ganze nun mit dem oben genannten Buch und vor allem mit dem Titel dieses Artikels zu tun?

Gopal beschäftigt sich mit der Traumaheilung und kommt aus seiner jahrelangen Erfahrung als Therapeut zu dem Schluss, dass der elementare Schlüssel im ehrlichen Mitteilen (EM) zu finden ist. Dabei denkt wahrscheinlich jeder zunächst daran, seine Rollen fallen zu lassen und einfach ehrlich zu sein, egal wo und egal wann - aus eigener Erfahrung ein sehr befreiendes Gefühl. Dieses Mitteilen verbindet man in der Regel immer mit sich selbst, also „Ich bin…“ oder „Ich fühle…“ - dem Assoziieren. Ob daher der negativ belegte Begriff Assi kommt, weiß ich nicht - finde die Verbindung aber passend. Wie schnell würde man als Assi beschimpft werden, wenn man einfach mal ehrlich ist?! Dabei steht dieser Begriff natürlich für asozial, wobei ich mich inzwischen frage: Wer definiert eigentlich, was sozial ist?

Was Gopal aber meint, ist ein dissoziiertes Mitteilen. Dies erreicht man, indem man in den Beobachtungsmodus seiner Selbst geht. Das ehrliche Mitteilen verändert sich dann in sofern, dass ich mich nicht mehr mit den Gefühlen und Gedanken verbinde sondern sie mitteile als: „Mein Körper fühlt….“ oder „Mein Kopf denkt…“.

Das klingt zunächst befremdlich oder vielleicht banal, fördert aber nach meiner anfänglichen Erfahrung unglaubliches zu Tage. Und nicht nur dass: es bringt vieles in Heilung. So kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass das Gedachte und Gefühlte oft überhaupt nichts mit der aktuellen Situation und meinem Selbst im Hier und Jetzt zu tun hat.

Der Autor erklärt und belegt seine Methodik sehr verständlich und gibt viele gute Praxisbeispiele. So einfach es klingt, desto schwerer fällt es einem am Anfang in dieses dissoziierte, ehrliche Mitteilen zu gehen. Ich habe das ganze vor wenigen Tagen mit zwei lieben Menschen das erste mal wirklich gemacht und es hat für mich unglaubliches zu Tage gefördert. In meinem Falle die Erkenntnis, dass ich Liebe zu einem Teil mit einem völlig falschen Gefühl verknüpft hatte. In meinem aktuellen Gedanken-Podcast versuche ich das ganze ein wenig in Worte zu fassen:



Als ich das Buch vor wenigen Wochen laß, sprach es mich schon an, aber ich verkannte das große Ganze. Wenn ein Großteil der Menschen dies wirklich praktizieren würde, wäre das eine Heilung in unermesslichem Ausmaß. Für mich eine absolute Pflichtlektüre.


Bleibt gesund, wach und ehrlich!




 
 
 

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