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Status Quo

  • Misar
  • 16. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit

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Gestern Abend haben wir mit Freunden gemütlich auf der Terrasse gesessen und dabei ein Gespräch geführt, das mich noch immer beschäftigt. Es ging um Ziele. Klingt banal – ist es aber nicht. Denn ohne Ziele funktioniert kein Leben. Zumindest keines, das sich lebendig anfühlt.


Ziele sind wie Fixsterne. Manchmal ganz weit weg, manchmal fast unerreichbar. Aber sie geben Orientierung. Sie zeigen eine Richtung an. Ich glaube, jeder von uns braucht mindestens einen solchen Fixstern – auch wenn wir ihn vielleicht nie erreichen. Denn darum geht es gar nicht unbedingt. Der Fixstern ist da, damit wir uns bewegen. Damit wir unterwegs sind.


Gleichzeitig brauchen wir auch die kleinen Ziele. Die überwindbaren Hürden, die wir uns immer wieder setzen können. Ich habe neulich mal in meinem Gedankentransport geschrieben: „Am glücklichsten ist der, der sich immer wieder überwindbare Hürden schafft.“ Genau das trifft es. Es ist nicht die ganz große Vision, die uns täglich antreibt. Es sind die kleinen Schritte zum großen Ziel, die kleinen Erfolge, die uns Energie geben.


Und damit sind wir bei einem Problem, das ich bei vielen Menschen beobachte – und ganz besonders bei denen, die so um die 40 bis 50 Jahre alt sind. Die erste Hälfte des Lebens ist vorbei, die zweite Hälfte läuft. Eigentlich könnte man denken: Jetzt kommt die Phase, in der man reifer, klarer, entspannter ist. Aber oft passiert genau das Gegenteil. Warum?


Auf einmal brechen die Ziele weg.


Viele sind dann nur noch damit beschäftigt, den Status quo zu erhalten.

„Ich muss in diesem Job bleiben – auch wenn er mich kaputtmacht. Ich habe ja ein Haus abzubezahlen.“

„Ich muss durchhalten – die Kinder müssen noch großgezogen werden.“

„Ich darf jetzt nicht alles über den Haufen werfen – es hängt zu viel davon ab.“


Und schon sind wir in einem Teufelskreis. Statt neue Ziele zu haben, geht es nur noch darum, das Erreichte zu bewahren. Status quo als Endstation. Und was passiert, wenn ich keine Ziele mehr habe? Ich funktioniere. Aber ich lebe nicht mehr.


Das Verrückte ist: Selbst erreichte Ziele können unglücklich machen. Denn sobald ein Ziel erreicht ist, ist es auch ein Stück weit „Game Over“. Klar, das neue Auto, das Eigenheim, die Beförderung – fühlt sich alles großartig an. Aber irgendwann merkst du: Und jetzt? Wie die Fantastischen Vier schon 2007 gesungen haben: „Platin Platten an der Wand – was kommt dann?…“ Eine Zeile, die mich damals in diesem Zeitraum sehr ins Nachdenken gebracht hat.


Ein Ziel lebt nur, solange ich darauf zugehe. Sobald ich es erreicht habe, brauche ich ein neues. Sonst falle ich in ein Loch. Viele kennen dieses Gefühl, wenn sie nach Jahren endlich ein großes Projekt oder einen Traum verwirklicht haben. Und plötzlich stellt sich nicht Euphorie ein, sondern Leere.


Und genau hier liegt der Schlüssel:


Ziele dürfen nicht nur materiell sein. Sie müssen nicht immer in Besitz oder Erfolg münden. Es können auch innere Ziele sein. Ein Ziel kann sein: mehr Gelassenheit im Alltag. Mehr Zeit mit den Menschen, die ich liebe. Oder einfach die Fähigkeit, dankbarer zu sein. Diese Ziele sind immer da, auch wenn man sie schon öfter erreicht hat. Ein erreichtes Ziel bedeutet dann quasi: „Neues Spiel beginnt.“ So bleibt man wach und auf Kurs.


Das klingt erstmal kleiner. Aber es ist riesengroß. Denn solche Ziele begleiten dich, lassen dich wachsen. Und sie sind nicht abhängig davon, wie viel Geld auf deinem Konto liegt oder welche Titel auf deiner Visitenkarte stehen.


Zurück zum Fixstern:


Ich finde es wichtig, beides zu haben. Den großen Fixstern, der weit entfernt am Himmel leuchtet. Und die kleinen Ziele, die wie Trittsteine auf dem Weg liegen. Der Fixstern motiviert, gibt Richtung. Die kleinen Ziele machen glücklich, weil sie erreichbar sind.


Was passiert, wenn ich beides nicht mehr habe? Dann kommt die Ziellosigkeit. Und das ist einer der größten Unglücksfaktoren überhaupt. Nicht zu wissen, wohin – festsitzen in der Alltagsschleife. Das frisst Energie. Da hilft es auch nicht, wenn das Haus abbezahlt ist und der Schrank voll. Ohne Ziel fühlt sich selbst das bequemste Leben leer an.


Ja, ich kenne das Gefühl. Auch ich hatte Phasen, in denen ich dachte: Jetzt habe ich doch einiges erreicht – warum fühlt es sich nicht so an? Warum stellt sich nicht dieses „angekommen sein“ ein? Weil Ankommen nicht das Ziel ist. Das Ziel ist, unterwegs zu sein. Oder wie der weise Konfuzius bereits vor über 2.500 Jahren sagte: „Der Weg ist das Ziel.“


Vielleicht sollten wir lernen, Ziele nicht als „noch zu erledigende Punkte“ zu sehen, sondern als lebendige Begleiter. Ziele sind keine To-do-Liste, die irgendwann abgehakt wird. Ziele sind die Energie, die uns morgens aufstehen lässt.


Deshalb: Setz dir große Ziele, auch wenn du sie vielleicht nie erreichst. Und setz dir kleine Ziele, die du heute schon schaffen kannst. Beide zusammen machen dich lebendig.


Und falls du gerade denkst: „Aber ich habe keine Kraft mehr, mir neue Ziele zu setzen“ – dann fang klein an. Eine überwindbare Hürde. Ein kleiner Schritt. Auch das Finden eines kleinen Ziels kann schon ein Ziel sein.

Als wir gestern Abend über Ziele gesprochen haben, meinte ein Freund zu kleinen Zielen: „Mein Ziel ist es, heute noch einen Döner zu essen.“ Warum nicht? Ist erreichbar, und Essen gibt dir Energie, um weiter auf deinem Weg zu sein. Und dann findet sich vielleicht auch ein größeres, leuchtenderes Ziel.


Denn das Schöne ist: Ziele müssen nicht perfekt sein. Sie müssen nur deine sein - von ganzem Herzen.


Bleibt gesund und wach!




 
 
 

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