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Versprochen ist Japan

  • Misar
  • vor 4 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 3 Tagen


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2023 habe ich meiner Tochter etwas gesagt, das für sie vermutlich nur ein schöner Satz war – für mich aber mehr bedeutete:

„Wenn du schon Japanisch lernst, dann fahren wir irgendwann auch nach Japan.“


Damals hatte sie gerade angefangen, sich für das Land zu begeistern – für die Sprache, die Kultur, das Essen, Anime, die kleinen Gesten, die Höflichkeit. Und sie blieb dran. Zwei Jahre lang. Ohne dass jemand sie dazu drängte. Einfach aus echtem Interesse. Nachdem wir schon das japanische Viertel und den Japantag in Düsseldorf besucht hatten, wurde mir klar: Jetzt wird’s ernst. Ich hatte es versprochen.


Und Versprechen – das ist so eine Sache. Ich bin mit vielen groß geworden, die nie gehalten wurden. Vor allem von meinem Vater. „Wir machen das irgendwann“ war meist der Code für: „Vergiss es.“ Vielleicht mache ich es genau deshalb anders. Wenn ich etwas zusage – besonders meinen Kindern – dann halte ich es. Und wenn ich es nicht kann, dann rede ich darüber. Kein Schweigen. Kein Wegducken.


Und so wurde aus einem Satz in 2023 eine Reise ans andere Ende der Welt.


Es war der erste wirklich lange Flug für meine Kinder und für meine Frau. Schon die Anreise war ein kleines Abenteuer: über Dubai, mit Zwischenstopp, insgesamt fast 19 Stunden unterwegs. Für die Kinder war es aufregend – Flughäfen, riesige Terminals, Menschen aus aller Welt. Alles neu, alles groß. Und dann dieser Moment, wenn das Flugzeug sich löst vom Boden und du weißt: Jetzt geht’s wirklich los.


Auf dem Rückflug saßen wir übrigens zum ersten Mal im Oberdeck eines A380. Es war stiller dort, fast wie in einer anderen Welt. Man schwebte – müde, erfüllt, dankbar.


In Japan begann alles in Tokio. Diese Stadt, die pulsiert, ohne laut zu sein. Eine Metropole, in der Millionen Menschen unterwegs sind – und doch kein Gedränge, kein Hupen, kein Chaos. Alles folgt einem unsichtbaren Takt. Zwischen Neonlichtern und Automaten, die alles verkaufen, was man sich vorstellen kann, herrscht eine stille Disziplin. Auch die Sauberkeit und die Pünktlichkeit der Bahn sind – aus deutscher Sicht – wirklich auffallend.


Den Jetlag haben wir erstaunlich gut weggesteckt – und standen plötzlich mitten in einer neuen Welt: überwältigend, fremd, faszinierend.

Japan fühlt sich an wie eine Mischung aus tiefer Tradition und Tomorrow-Land – Vergangenheit und Zukunft im selben Moment.


Von dort ging es weiter nach Hakone. Ländlich, bergig, fast meditativ. Heiße Quellen dampfen aus der Erde, der Schwefelgeruch liegt in der Luft. Meine Frau war die Einzige, die in die Onsen stieg – wir anderen hatten keine Lust auf heißes Wasser. Stattdessen fuhren wir über den Ashi-See, der an diesem Tag im Nebel lag. Schreine, Wasser, Bäume – und Menschen, die sich ehrfürchtig verneigten. Keine Show. Keine Pose. Der Stolz der Japaner und die Hingabe, mit der sie sich ihrem Leben widmen, sind überall spürbar.


Dann der Fuji. Majestätisch, still, fast unwirklich. Wir standen auf dem Mishima Skywalk, der Blick weit – und plötzlich war klar, warum dieser Berg seit Jahrhunderten gemalt, fotografiert und verehrt wird. Wir machten bestimmt zwanzig Fotos – er sah gefühlt jede Minute anders aus.


Weiter nach Kyoto. Die Stadt fühlt sich an wie ein Atemzug nach Tokio – weiter, ruhiger, leiser. Eine Millionenstadt, ja, aber dörflich in ihrer Seele. Alte Holzhäuser, enge Gassen, das Gefühl, in der Zeit zu reisen. Wir wohnten in einem kleinen japanischen Häuschen, barfuß auf Tatamis, das Fenster offen zum Garten. Von dort aus machten wir Ausflüge nach Osaka, waren in der Super Nintendo World – ein Fest für die Kinder und für das Kind in mir. Ich genieße es, viele Dinge, die ich als Kind gerne gemacht hätte, jetzt nachholen zu können – und dabei selbst wieder zum Kind zu werden.


Da unser Rückflug auch wieder von Tokio Haneda startete, sind wir zum Abschluss zurück nach Tokio – diesmal nach Shibuya. Ein Ort, der lebt. Menschen, Lichter, Bewegung. Das Gefühl, gemeinsam mit den Menschenmassen durch Shibuya und über die berühmte Kreuzung zu laufen, kann man nicht beschreiben oder in Bildern festhalten. Unser Hotelzimmer war zwar nur im sechsten Stock – aber hoch genug, um die Energie der Stadt zu spüren. Wie oft standen wir am Fenster und genossen die Ruhe, während unter uns die Stadt pulsierte.


Dabei war die Reise selbst fast ein Abenteuer vor dem Abenteuer. Ich hatte kurz überlegt, sie zu verschieben. Doch dann dachte ich: Egal, wir machen das jetzt einfach. Und es passte. Wir konnten beim Schulamt eine Woche Sonderurlaub beantragen und hatten so mit den Herbstferien drei Wochen. Eine Bildungsreise, ganz offiziell. Und das war sie auch – für uns alle.


Denn wenn du ein Versprechen einlöst, passiert etwas. Es ist, als würde sich etwas in dir beruhigen. Als würde ein alter Kreis sich schließen. Du siehst das Leuchten in den Augen deiner Kinder – und du weißt: Genau das ist es. Dafür macht man das alles.


Am Ende war es also nicht nur eine Reise nach Japan.

Es war eine Reise zu einem Versprechen, aus der wir alle etwas mitgenommen haben – vielleicht auch ein kleines Stück Heilung.


Bleibt gesund und wach!


Hier noch ein paar Impressionen von unserer Reise:



 
 
 

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