Ich weiß nicht, wie es euch so geht, aber ich bin in einer absolut positiven Stimmung. Das letzte Jahr war für die meisten Menschen mit starken Veränderungen einhergekommen - für mich waren es zunächst zwei: Meine erkrankte Mutter, die über 250 Kilometer weiter weg wohnte und die erste Pandemie, die durch die Politik ausgerufen wurde. Obwohl ich recht fest im Sattel sitze, haben mich diese beiden Ereignisse doch teilweise an mein emotionales Limit gebracht. Wer mir hier schon länger folgt, kennt die Geschichte ja mehr oder weniger und ich möchte darauf nicht weiter eingehen. Wen es interessiert - es ist ja alles in meinen Blogs und Podcasts noch zu finden.
Was aber während dieser beiden Themen im Hintergrund - ich nenne es jetzt mal mein Unterbewusstsein - geschah, war wirklich sehr beachtlich: der Fokus auf mein eigenes Leben. Irgendwie war mir schon seit einigen Jahren klar, dass ich in einer Lebensschleife hänge und eine Veränderung dringend notwendig wäre, aber wie das so mit Schleifen ist: Man kann da Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte oder vielleicht sogar ein ganzes Leben drin hängen. Oft braucht es ein einschneidendes Ereignis, um die Schleife zu stoppen und die volle Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt zu lenken. Die beiden oben genannten Ereignisse haben das bei mir geschafft und ich bin wirklich dankbar dafür. Also folgte vor geraumer Zeit der
Blick auf mein Hier und Jetzt!
Meine aktuelle private Situation lässt wenig zu wünschen übrig: Ich habe eine tolle Frau, zwei tolle Kinder und ein gutes, soziales Umfeld. Im privaten Bereich gibt es also nichts zu bemängeln und ich bin sehr dankbar dafür, da es einem einen starken Halt bietet. Die Versorgung meiner Mutter ist natürlich ein präsentes Thema und sehr emotional für uns alle, da sie leider weiterhin sehr schnell abbaut und wir mit ihr nicht mehr viel unternehmen können. Wir besuchen sie regelmäßig im Heim, allerdings ist aufgrund des starken Fortschrittes ihrer Krankheit nicht viel möglich. Das ist nicht leicht, aber dank meines starken Umfeldes gut zu (er)tragen.
Wie sieht es denn mit dem Beruflichen, der Leidenschaft aus?
Auch wenn das dem ein oder anderen befremdlich erscheint - für mich gehört beides zusammen. Ich habe immer nur das gemacht, wofür ich gebrannt habe und damit dann auch mein Geld verdient. Ich habe nie (ok, so gut wie nie) nur gearbeitet, um Geld zu verdienen. Die Musikproduktion war seit 1993 mein Hauptberuf und ich habe wirklich unglaubliches erleben dürfen. Bis 2009 habe ich dafür wirklich gebrannt - und dann begann das künstliche Aufrecht erhalten des Kartenhauses - die Schleife, die bis vor kurzem gelaufen ist.
Irgendwie war schon lange die Luft raus und ich wusste das auch, aber dass ganze endgültig zu beenden um Platz für neues zu machen, habe ich über 10 Jahre nicht geschafft. Immer wieder habe ich versucht, dass ganze künstlich am Leben zu erhalten: 2009 mit dem Studiobau in Hattingen und diversen Produktionen, die aber nicht wirklich erfolgreich waren. 2013 dann mit dem Aufbruch nach Stockholm um dort 2015 mein eigenes Studio einzurichten. 2016 dann ein halbes Jahr mit meiner Familie in Stockholm gelebt - sicherlich auch von dem Gedanken geprägt, Deutschland zu verlassen. Auch wenn wir alle dort eine wirklich gute Zeit hatten, war es doch recht schnell klar, dass wir wieder zurück gehen würden. Immerhin brachte mir die Zeit in Stockholm noch einmal einen Hit in Süd Korea, bevor ich dann Ende 2017 mein Studio dort wieder geschlossen habe. Danach habe ich eigentlich nur noch in meinem Büro gesessen und dort mein Geld verdient - das Studio wurde nur noch von meinen “Rockern” genutzt und ich habe ab und zu gepodcastet und mein Mittagsschlaf auf der Studiocouch gehalten. Finanziell gelebt habe ich schon seit Jahren nur von den Alteinnahmen und dem daraus seit Jahren von mir aktiv generierten Guthaben.
Vor einigen Wochen habe ich dann endlich meine Augen geöffnet und die Absurdität der ganzen Situation erkannt: Ich habe hier einen schönen Raum, den ich wirklich liebe - voll mit Zeug, was ich gar nicht mehr benutzen will. Meine Leidenschaft - und mein Beruf - findet inzwischen nur noch in der Bürokammer statt. Wie wäre es, sich endlich mal von dieser alten “ich bin ein Musikproduzent” Rolle zu verabschieden um dann seiner Leidenschaft den entsprechenden Platz geben?! Also habe ich vor wenigen Wochen angefangen, mein Equipment zu verkaufen und das ganze “offiziell” zu machen. Als ich die Email verfasst habe, habe ich sie zunächst noch einmal unter Entwürfe abgespeichert und bin kurz in mich gegangen. Witzigerweise fand ich unter den gespeicherten Entwürfen eine ähnliche Email von 2011 und eine von 2012 - da hatte ich auch schon diesen Gedanken gefasst, aber nicht weiter verfolgt. Im Nachhinein würde ich sagen, war es richtig so - hätte ich doch eine aufregende Zeit in Stockholm und noch einen Hit verpasst. Also die Email genommen und abgeschickt und was soll ich sagen: Es hat sich sooo gut angefühlt - ich kann das kaum in Worte fassen. Wie ein schwerer Ballast, der mit einem Klick auf “Senden” abgefallen ist. Mit jedem Teil, was ich verkauft habe, wurde das Gefühl besser - jetzt habe ich noch eine Studio-Deadline für meine Rocker gesetzt und mit Ende der Sommerferien werde ich mir meinen Lieblingsraum in meinen neuen Arbeitsplatz verwandeln. Ich freu mich drauf!
Und falls der ein oder andere sich fragt, was ich dann wohl mache?! Das, was ich die letzten Jahre schon gemacht habe: ich verwalte meine Finanzen und kümmere mich um meine Familie. Das ist so klar, wie es Anfang der 90er für mich war, Musikproduzent zu werden.
Ist das nicht ein großes Risiko? Nicht mehr, als es das schon die letzten Jahre gewesen ist und es hat bis heute sehr gut funktioniert. Außerdem ist mir schon seit langem klar: Es geht immer weiter - oft auch anders als geplant, bis der Vorhang endgültig fällt. Bis dahin aber bitte mit Leidenschaft.
Bleibt gesund und wach!
Comentários