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Die Mensch-Maschine



In den letzten Tagen ist mir mal wieder sehr bewusst geworden, in welch unterschiedlichen Welten ich tagtäglich unterwegs bin. Auf der einen Seite die Welt der Aufgaben, die ich zu erledigen habe, wie zum Beispiel: Geld verdienen, einkaufen gehen, Wäsche waschen, Fahrdienst für die Kinder und so weiter. Auf der anderen Seite lese ich gerade wieder ein sehr spirituelles Buch (“Liebe, Freiheit, Alleinsein” von Osho) und denke viel über alles Mögliche nach, meditiere, umgebe mich mit geliebten Menschen, lache und weine. Wenn ich beide Seiten kurz auf einen Punkt bringen müsste, würde ich sagen ich funktioniere auf der einen Seite und bin Mensch auf der Anderen.


Ist der Mensch überhaupt noch Mensch?


Diese Frage stellt sich mir ganz bewusst, wenn ich mich selbst, aber auch viele andere um mich herum beobachte. Gefühlt breitet sich der Anteil des “Funktionierens” immer weiter aus, nimmt immer mehr Platz in Anspruch, während das “Mensch sein” immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird. Warum ist das so? Aus meiner persönlichen Sicht sind gerade wir in der westlichen Welt gefangene unseres selbst erschaffenen Systems - in der Maschine des Kapitalismus. Leider hat sich bei der Konstruktion dieser Maschine ein Fehler eingeschlichen - dieser fällt am Anfang gar nicht auf, wird aber zum Ende hin immer offensichtlicher: Die Räder der Maschine müssen sich immer schneller drehen, um die gleiche Leistung zu erzeugen. Dabei schaffen es einige wenige, sich aus der Maschinerie zu befreien und der größte Teil steckt einfach drin und kommt nicht raus - er funktioniert immer mehr um ein paar kurze Momente des glücklich seins zu erhaschen. Immer das Leckerli vor Augen und fast in Reichweite. Wie schon Prof. Dr. Hartmut Rosa im Film “Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” vor einigen Jahren richtig prognostizierte: Der Mensch wird immer leistungsfähiger werden müssen und wenn die ersten anfangen, sich dafür zu dopen, werden die anderen unweigerlich nachziehen, um nicht zurück zu bleiben. Höher, schneller, weiter - aber wofür? Was bringt uns dass, wenn wir die Maschine bis zu unserem Tode füttern? Daniel Zhang (CEO der Alibaba Group) hat vor einiger Zeit festgestellt, dass der Mensch immer mehr zur Maschine mutiert - sollte er aber jemals in die Konkurrenz zur Maschine gehen, wird er verlieren. Meiner Meinung nach kann der Mensch nur bestehen durch seine Kreativität, seine Unberechenbarkeit, seine Spinnerei - das ist seine Überlegenheit gegenüber der Maschine.


Unser aktuelles Leben besteht zu großen Teilen nur noch aus einem “funktionieren”, aufrecht erhalten durch die andauernd wiederholten Mantras unserer Zeit. Von Anfang an werden wir getrimmt auf “die Funktion” durch Schule, Ausbildung, Studium, Arbeit und natürlich durch die Kaste, in der wir uns bewegen - alle sind dabei. Und wer da nicht mitkommt, der ist ein “Fehler im System” - der muss sehen, wo er bleibt. Wenn er brav ist, wird er durch die Maschine der Masse mitgetragen, aber wehe man macht nicht mit und stellt das ein oder andere in Frage - da werden die “Funktionierenden” aber ganz schnell richtig böse. Also doch lieber mitmachen und besser nicht zuviel darüber nachdenken.


Die Geschichte der Menschheit ist voll von (Glaubens)Systemen. Aktuell habe ich das Gefühl, dass die frühe Religion der Kirchen mehr und mehr durch die Religion der Wissenschaft abgelöst wird. Egal ob Gesundheit oder Klimawandel (um die zwei größten zu nennen) - es gibt immer mehr Diktate, um sich zu fügen, um die Freiheit des Menschen zu beschränken. Und nein - ich bin kein Leugner von irgendwas, möchte aber hinterfragen. Meinem Gefühl nach sind wir gerade in der Epoche, die allmächtige Wissenschaft über das Leben zu stellen und dass dann als lebenswert zu verkaufen. Übersehen wird meiner Meinung nach, dass die Wissenschaft auch nur ein funktionierendes System ist und mehr und mehr nur noch der Maschine der Wissenschaft und nicht dem Menschen dient. Ich glaube sie wurde schon vor langer Zeit von den wenigen Profiteuren des Systems gekapert um die Mensch-Maschine am laufen zu halten. Und wenn ich mich gerade so umschaue, wird die Maschine auf eine neue Ebene gehoben: Man steht in Reih und Glied, man trägt Maske, man hält Abstand zu anderen Menschen, man lässt sich gesund spritzen - alles der Menschlichkeit wegen. Ich will das gar nicht werten, ich schaue mir nur die Bilder an, nehme diese zur Kenntnis und fühle, wie es mir damit geht. Und dann denke ich an Menschen, die sich in den Armen liegen, die singen, lachen, lieben - an Kinder, die zu dutzenden zusammen spielen, lachen und weinen. Auch diese Bilder nehme ich dann zur Kenntnis und fühle, wie es mir damit geht. Das Gefühlte werde ich jetzt nicht aufschreiben, dass muss jeder selbst erfahren und sich überlegen, wieviel Mensch und wieviel Maschine er ist und werden will. Als Schlusswort fällt mir spontan ein: Nichts ist alternativlos!


Bleibt gesund und wach!


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