Demenz und Alzheimer - wenn man diese Worte hört, wird einem doch etwas unwohl. Zumindest, wenn man im näheren Umfeld das ganze schon einmal erlebt hat bzw. erlebt. Ich muss mich seit geraumer Zeit auch mit diesem Thema befassen, da in unserem nahen Umfeld diese Krankheit ein Thema ist. Am Anfang sieht man das ganze ja recht locker (war jedenfalls bei mir so) bzw. bekommt es gar nicht so mit. Mal einen Schlüssel verlegt, mal zu Hause ausgeschlossen, mal kurz den Überblick verloren - das geht mir ja heute schon so. Doch ganz leise schleichen sich diese Ereignisse immer öfter an, bis man dann auf einmal feststellt: Das ist jetzt glaube ich nicht mehr normal, oder?! Bei mir war das jedenfalls so - gefühlt war von eben auf jetzt eine Schwelle überschritten, mit der man nicht gerechnet hatte und die einen wirklich überrascht hat. Rückblickend muss ich sagen, hätte ich das wahrscheinlich schon früher sehen können - aber was man nicht sehen will, sieht man bekannterweise ja nicht. Bei mir ist da nach wie vor auch eine große Unsicherheit im Spiel.
Das ältere Menschen vieles doppelt, dreifach und immer wieder erzählen kennt man ja. Es nervt, aber man kann damit leben. Ich erwische mich inzwischen auch schon ab und zu dabei, wie ich die ein oder andere Geschichte zum Wiederholten male auspacke. Vieles muss man öfter erklären, auch das nervt - bekommt man aber auch noch hin. Wenn aber nach wiederholtem Erklären die einfachsten Sachen nicht mehr funktionieren, wird es wirklich schwierig und man muss aufpassen, dass man nicht zornig wird. Ist allerdings nicht wirklich einfach. Und so verändert sich eine geliebte Person, die immer selbstbewusst und selbständig durchs leben ging zu einem hilflosen “alten Kind” zurück. Wenn ich so darüber nachdenke, kann ich es kaum fassen.
Nach allem, was man so als “normal” hin nimmt, wird es dann aber irgendwann wirklich grenzwertig. Ich kann mich noch genau an diesen Moment erinnern: Ich telefonierte mit besagter Person und sie wollte mir einen Brief vorlesen. Sie legte den Hörer weg um den Brief im Nachbarzimmer zu holen und als sie dann wieder kam, hatte sie vergessen, dass sie mit mir telefonierte. Im Hintergrund hörte ich dann, wie Selbstgespräche geführt wurden und der Fernseher anging. Ich schrie ein paar mal in den Hörer: “HALLO” - aber es nützte nichts. Also hab ich aufgelegt und versucht wieder anzurufen, was natürlich nicht ging - war besetzt, da das Telefon ja nicht aufgelegt wurde. Da überkam mich zum ersten mal ein tiefer Schauer und auch Angst um diese Person.
Und plötzlich steckt man mittendrin zwischen Neurologen, Radiologen, Krankenkasse, Pflegeanträgen, Pflegediensten und gefühlten tausend organisatorischen Meisterwerken, mit denen man vorher nie etwas zu tun hatte. Das ganze hat mich und meine Familie in den letzten Monaten viel Zeit gekostet und wird es auch noch - allerdings ist inzwischen ein kleiner Lichtblick zu sehen: Da diese Krankheit sehr weit verbreitet ist, gibt es inzwischen wirklich sehr gute Angebote und Hilfestellungen, bei denen man sich Rat und Hilfe holen kann. Und da die besagte Person auch in Ihrem Umfeld ein gutes Freundesnetzwerk hat, lässt sich - mit einiger Organisation - doch vieles ermöglichen. Da sind wir jetzt gerade mittendrin und harren der Dinge, die da kommen. Ganz wichtig für mich war es, einen gesunden Abstand zu bekommen. Wenn man das ganze zu nah an sich rankommen lässt, braucht man selbst bald Hilfe.
Letzten Mittwoch war ich bei uns vor Ort bei einer Beratung der Deutschen Alzheimergesellschaft. Ich muss sagen, dass mir das mehr geholfen hat, als z.B. die Termine bei der Neurologin. Gute zwei Stunden hat die Dame sich für mich Zeit genommen, sich die Geschichte angehört und mir viele neue Wege aufgezeigt. Auch bei der Diagnose hat sie ein paar weitere Faktoren mit ins Spiel gebracht, die vorher von keinem der sogenannten Experten erwähnt wurden. Ich kann nur sagen: Richtig gut! Das hat mir sehr viel Zuversicht und Sicherheit gegeben, dass wir das ganze doch gut meistern können. Am Schluss wollte ich dann bezahlen, aber die Beratung dort ist kostenlos. Hätte ich das mal früher gewusst, hätte ich mir doch einiges ersparen können. Kann ich wirklich nur jedem empfehlen. Unglaublich - als ich zu Hause war, habe ich direkt einen Betrag gespendet. Wie ich schon schrieb: Es gibt inzwischen wirklich tolle Angebote und Hilfe für diese Krankheit, die ja gefühlt jeden Zweiten im Alter erwischt.
Wenn man das so mitbekommt, weiß man auf jedenfall, dass man das nicht bekommen möchte. Das schlimmste für die Erkrankten ist die Tatsache, dass sie ja mitbekommen, was mit Ihnen passiert. Ich stelle mir das schrecklich vor, wenn ich Sachen nicht mehr hinbekomme, von denen ich weiß, dass ich sie Jahrzehnte lang ohne Probleme gemacht habe. Grauenvoll! Ein Bekannter von mir (der im Pflegedienst arbeitet) hat mir gesagt, dass die Erkrankten teilweise wieder recht fröhlich sind, wenn sie ihre Erinnerung an das alte Leben völlig vergessen haben. Hart für die Angehörigen, aber gut für die Patienten. Wenn man daran denkt, wie schlimm es ist, den eigenen Verfall mitzubekommen, ist das vielleicht wirklich ein Lichtblick.
Aktuell ist es ein dauerndes auf und ab. An manchen Tagen ist so gut wie nichts davon zu merken und an anderen dann wieder das volle Chaos. So geht es auf und ab in den täglichen Wogen des Lebens mit der Hoffnung, nicht zu kentern - das Rettungsboot schon halb aufgeblasen. Ich wünsche allen Menschen, die damit zu tun haben (egal ob Begleitperson oder Erkrankter) viel Kraft und alles Gute. Ein ganz wichtiger Satz wurde mir von einer guten Bekannten ziemlich zu Anfang der ganzen Sache mitgegeben: “Du hast nicht die Aufgabe, dass Leben von …. zu gestalten, Du musst nur zusehen, dass …. gut versorgt ist.” Das schaffen wir!
Bleibt gesund und wach!
P.S.: Der Titel am Schluss des Podcasts ist von "Industrial Zoo" und heißt "What goes around...comes around"
Comments