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Gammeltage



Heute bin ich nicht gut aus dem Bett gekommen … seit langem hätte ich mal wieder bis auf weiteres liegen bleiben können. Nachdem ich aber gehört habe, dass unten schon reger Betrieb herrscht, bin ich dann doch aufgestanden. Am Frühstückstisch angekommen, gab es erstmal einen Kaffee. Den schlürfte ich dann, am noch nicht abgeräumten Tisch, mit Blick nach draußen auf den grauen, verregneten Garten. Gefühlt ein Stück Herbstmelancholie - mitten im Sommer.


Während die Kinder hinten im Wohnzimmer lautstark rumtobten, zog ich mich mehr und mehr in meine Gedankenkiste zurück. Solche Tage gab es ja schon immer mal und teilweise hab ich die richtig genossen. Ganz früher, als ich noch alleine lebte, waren dass die sogenannten “Gammeltage”: Einfach den ganzen Tag ungewaschen, in Jogging und T-Shirt zu Hause rumhängen, Musik hören, Bücher lesen, Filme schauen und unvernünftige (aber leckere) Sachen essen und trinken. Herrlich! Dabei dann oft ausgemalt, wie das Leben so weiter geht und was noch alles so passiert. Wie erfolgreich werde ich sein, wieviele Kinder werde ich mal haben, welch tolle Frau, welche Häuser, welche Autos, wieviel Millionen auf dem Konto, wieviel goldene Schallplatten an der Wand, welche riesigen Studios - die Liste könnte ich noch ewig fortführen. Meistens hielt dass dann einen ganzen Tag und am nächsten war man wieder voll und ganz im "Hier und Jetzt" und hat da weitergemacht, wo man vorgestern aufgehört hatte. So war dass damals immer…. und wie ist das heute….


Von was träume ich jetzt?


Ich schweife aus der Vergangenheit ein wenig in die Zukunft: So viele Träume wie damals habe ich gar nicht mehr. Es stellt sich mehr ein Gefühl der Zufriedenheit ein und der Gedanke, dass man zunächst mal alles so erhalten möchte, wie es ist. Als Zukunftsprojekt male ich mir aus, wie wir weiterhin die Kinder auf ihrem Weg souverän begleiten, wie wir unser aktuelles Haus auf Vordermann bringen können, dass ich weiterhin an der Börse ein gutes Händchen habe und als größeres Zukunftsprojekt ein zweiter Wohnsitz - ich liebäugele mit Kanada. Ein Grundstück habe ich ja quasi schon reserviert. Ich hoffe, ich kann diesen Sommer hinfliegen - mal sehen. Und da bin ich ja quasi schon wieder im “Hier und Jetzt” bzw. in der ganz nahen Zukunft. So weit in die Zukunft geht die Träumerei gar nicht mehr. Liegt wohl am alter, oder….mir kommt gerade der Gedanke:


Was habe ich alles erreicht?


Durch meinen kurzen Gedankentrip in die Vergangenheit muss ich feststellen, dass sich mein Leben quasi genau so entwickelt hat, wie ich mir das an den “Gammeltagen” ersponnen habe. Ok - erfolgreicher geht immer, aber gibt’s da überhaupt eine Oberkante, ein Limit? Ich glaube nicht, das hört wahrscheinlich nie auf. Hab mal vor langer Zeit gehört (war glaube ich von Dr. Eckart von Hirschhausen), wie Bill Gates sich wohl geärgert haben muss, als er von Platz eins der reichsten Menschen der Welt auf Platz zwei verbannt wurde. Und zwar von Ingvar Kamprad - der Inhaber von Ikea. Zitat: “Wie uncool ist dass denn? Hightech aus USA wird verdrängt von Teelichtern aus Schweden”. Großartig! Und ich glaube, dass war tatsächlich so - dass hat bestimmt am Ego gefressen. Der Mensch verlangt wahrscheinlich immer nach mehr! Also von daher war ich doch sehr erfolgreich, mal kurz die Liste durchgehen:


Erfolgreich - es ist ausreichend, check!

Kinder - zwei, check!

Tolle Frau - aber Hallo, check!

Mehrere Häuser - in Vorbereitung, check!

Autos - mehr als genug, check!

Millionen auf dem Konto - in Cent schon, check!

Goldene Schallplatten - 2x Platin, 4x Gold, check!

Riesen Studios - da gab es einige, mein aktuelles reicht mir völlig, check!


Ist doch echt witzig. Irgendwie kam doch alles so, wie man sich dass an den “Gammeltagen” erträumt hatte. Vielleicht ist dass das Geheimnis: Rumgammeln, unvernünftig sein und sich sein späteres Leben ausmalen. Dann mach ich damit doch gleich mal weiter - und schon sitze ich mit meinem Kaffee in meinem Haus in Kanada und schaue raus auf den See. Herrlich!


So - jetzt aber mal den Frühstückstisch abräumen, sich anziehen und rein ins Gammelwochenende.


Bleibt gesund und wach!


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