Oder sollte ich sagen “Normal krank”?
In den letzten Tagen habe ich viel mit einer guten Freundin gesprochen und unter anderem kamen wir auf einen Workshop zu sprechen, den wir 2012 gemeinsam besucht haben. Es waren mehrere hundert Teilnehmer vor Ort und in den insgesamt 5 Tagen herrschte eine sehr positiv aufgeladene Stimmung. Man kam vielen Menschen näher, die man vorher noch nie gesehen hatte oder nicht wirklich kannte - teilweise so nahe, wie man es im “normalen” Leben nicht zulassen würde - ich jedenfalls. Es war wirklich eine außergewöhnliche Zeit und meine Freundin meinte dann, dass man dort in einem ganz besonderen Zustand war, den man im “normalen” Leben nicht (er)lebt. Und sie warf die Frage in den Raum: “Oder war das vielleicht der Normalzustand und im täglichen Leben benehmen wir uns nicht normal?” Das hat mich sehr zum Nachdenken bewegt.
Es ist ja nun schon 8 Jahre her, aber ich erinnere mich noch sehr gut daran und es war wirklich eine außergewöhnliche Zeit mit unglaublich viel Nähe zu tollen - vor kurzem noch fremden Menschen. Als ich damals auf dem Heimweg war, war ich noch völlig geflashed und schwebte in anderen Sphären, was allerdings einige Tage später vorbei war - der Alltag hatte mich wieder.
Was genau ist der “Alltag”?
Da fällt mir spontan ein Sprichwort aus meiner “Weisheitenliste” ein:
Der gesunde Menschenverstand ist eigentlich nur eine Anhäufung von Vorurteilen, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat. (Albert Einstein)
Ich glaube, dass beschreibt es ziemlich gut. Der Verstand des Menschen hat vor langer Zeit die Führung über dem Geist, der Intuition übernommen und so kommt es, dass wir wahnsinnig viele Dinge tun, die sich gar nicht gut anfühlen. Wir können uns zurückhalten, beherrschen, benehmen … alles Dinge, die “man halt so macht”. Aber sind das wirklich wir? Ich glaube, dass sind nur Programme, die uns in allen Seiten des Alltags begegnen, die wir dann für gut befinden (egal, wie es sich wirklich anfühlt) und für uns übernehmen. Selbstverständlich findet die tiefste “Programmierung” - der “Core-Code” - in der frühen Kindheit statt. Die Vorbilder um uns herum, wie mit uns umgegangen wird, wie wir uns äußern dürfen und die Reaktionen darauf. Da lernen wir sehr schnell und viel. An diesen “Kern” heranzukommen ist im späteren Leben nicht einfach, aber möglich. Erkennen ist da schonmal der erste Schritt - der zweite Schritt wäre dann, nicht gewünschte oder sich schlecht anfühlende Programme zu verändern. Das ist allerdings sehr, sehr schwer - jedenfalls nach meiner Erfahrung.
Sicherlich gibt es da sehr viel gute Richtlinien, die uns das Leben in einer Gesellschaft erleichtern, aber einiges ist sicherlich für unsere Entwicklung auch hinderlich. Vera F. Birkenbihl hat es mal so schön in einer ihrer Seminare gesagt: “Alle Babys haben das Zeug zum perfekten Homo Sapiens. Da kommt dann meistens nur etwas dazwischen, was wir Erziehung nennen.” Sehr schön getroffen, wie ich finde. Was würde eigentlich passieren, wenn man nicht erzieht? Dann entsteht wahrscheinlich ein sogenannter “Wildwuchs” … wäre das schlecht? In der Natur ist die Monokultur ja inzwischen ganz schön verschrien und die Nachteile werden mehr und mehr offensichtlich. Bunte Wildblumenwiesen und buntes Insektentreiben stehen inzwischen doch deutlich höher im Kurs. Ich lebe auch viel lieber in einer bunten Vielfalt als in einer Monokultur. Von daher glaube ich, dass ein bisschen mehr “Wildwuchs” auch beim Homo Sapiens nicht schaden kann.
Und schon bin ich wieder gedanklich bei meinen Kindern und höre mich sagen: “Das macht man aber nicht!”. Hmm - warum eigentlich?
Bleibt gesund und wach!
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