Ich war schon immer mehr mit Frauen befreundet - irgendwie konnte ich mich da im Gespräch besser öffnen als bei Männern. Das ist bis heute so geblieben und dementsprechend bin ich mit Frauen deutlich mehr im Gespräch als mit Männern. In letzter Zeit gab es von meinen Gesprächspartnerinnen mal wieder das Bedürfnis, über die Geschlechterrollen zu sprechen. Spannender weise tauchte das Thema unabhängig voneinander bei mehreren zeitgleich auf. Ohne da jetzt etwas hinein interpretieren zu wollen, hat es mich an viele Gespräche der letzten Jahrzehnte und auch an mein (er)Leben als Mann erinnert.
Aufgewachsen mit dem Mantra meiner Mutter: „Alle Männer sind scheiße“, hat es für mich recht lange gedauert zu akzeptieren, dass ich ein Mann bin und dass das auch seine guten Seiten hat. Meine Jugend war dennoch geprägt von einer gewissen Abscheu meiner Männlichkeit gegenüber. Heute würde ich die Abscheu eher gegen die klassischen Männerrollen - auch Klischees genannt - bezeichnen.
Was ist da eigentlich los?
Ich weiß nicht wieviele Frauen mir schon berichtet haben, dass sie sich von Ihren Männern nicht verstanden und gesehen fühlen. Die Palette reicht von kleinen Unachtsamkeiten bis zu Übergriffen, die für mich nicht zu fassen sind. Jede(r) hat doch das Recht, so zu sein und zu leben, wie er/sie das möchte. Und wenn es um Zweisamkeiten geht wie: Zusammen zu leben, sich zu spüren, zu küssen und zu lieben - dann kann das doch nur gehen, wenn beide das wirklich wollen. Es kann sich bei diesen Dingen doch nicht um einseitige Bedürfnisbefriedigungen handeln? Aber genau den Anschein hat das für mich in ganz vielen Partnerschaften. Woher kommt das? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Männer normalerweise keine emphatischen Wesen sind und ich zu einer Minderheit gehöre?! Woran liegt es dann, dass so viele Frauen Dinge über sich ergehen lassen, die sie gar nicht wollen? Gehört das zur antrainierten Frauenrolle, so wie die bedingungslose Bedürfnisbefriedigung - koste es , was es wolle - zu der antrainierten Rolle der Männer? Wo bleibt da das Selbstbewusstsein (sich selbst bewusst sein und für sich einstehen)? Ich verfolge das seit nunmehr zirka 40 Jahren und es ist mir nach wie vor ein Rätsel. Bin ich einfach nicht normal und ist das gut oder schlecht?
Wenn ich mir mein Leben und damit auch unser Familienleben anschaue, sehe ich da ein ganz anderes Bild. Wir führen eine gute Beziehung, jeder steht voll und ganz für sich und respektiert den anderen in voller Gänze. Wieso ist sowas eher die Ausnahme als der Normalzustand? Ich muss wirklich gestehen, ich bin ratlos. Die einzige Erklärung, die ich bis jetzt finden konnte, ist das verhaften in den Geschlechterrollen und nicht voll und ganz bei sich zu sein. Denn wer sich selbst nicht voll akzeptieren kann und liebt, der braucht immer jemand anderen um sich ganz zu fühlen. Und somit begibt er sich in die Opfer- oder in die Täterrolle um gesehen zu werden. Für mich befinden sich Frauen öfter in der Opferrolle, wobei ich nicht sagen möchte, dass das nicht auch genauso gut umgekehrt sein kann. Gut ist beides nicht.
Jeder hat nur das Leben, welches genau jetzt stattfindet. Und wenn es nicht gut ist, ändere was - denn jeder Tag der verstreicht, ist gelebt und kommt nicht wieder. Und wieviele Tage jeder von uns noch vor sich hat, weiß keiner - kann schneller vorbei sein, als man denkt. Achtet auf euch und auch auf eure Lieben und wenn ihr anderen Menschen etwas abverlangt, dann versetzt euch auch immer in die Rolle des anderen und versucht zu fühlen, wie es ihm oder ihr damit geht. Und wenn Zweifel aufkommen, geht ins Gefühl oder Gespräch und nicht in blinden Aktionismus. Und ja: es ist wundervoll einen Partner an der Seite zu haben und gemeinsam den Weg zu gehen. Wenn es sich aber nicht mehr gut anfühlt, dann darf man sich auch trennen und einen neuen Weg beschreiten. Egal ob alleine, mit dem bisherigen oder mit einem neuen Partner. Jeder darf glücklich sein.
Bleibt gesund und wach
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